Früher habe ich lange Zeit in einer großen Videothek gearbeitet. Ich weiß gar nicht, ob es das “Berufsbild Videothekar” gibt, aber in dieser Zeit stolperte man manchmal über kleine Perlen der Filmgeschichte, die obgleich unglaublich gut in den hintersten Ecken vor sich hingammelten. Ebenso fanden sich aber unter den Neuerscheinungen oft Produktionen, die es – aus welchen Gründen auch immer – nicht in die Kinos geschafft haben oder sich schlicht und ergreifend als Flop erwiesen – manchmal ungerechtfertigt.

Leider hat das Fernsehen mit der “großen Sommerflaute” begonnen, wie ich die Zeit bis September nenne, in der keine neuen Serien starten und die letzten oder vorletzten Staffeln nochmal schnell durch’s Programm geheizt werden. So kann man sich drauf verlassen, dass alles, was man im Fernsehen gerne und regelmäßig guckt und wo nicht irgendwo “Neue Folge” eingeblendet wird, alter Kroams ist.

Um dem zu entgehen, stöbere ich immer häufiger bei Maxdome und iTunes – bei letzterem besonders seit ich mit dem iPhone endlich Filme auf dem Fernseher abspielen kann. Dabei bin ich auf ein paar sehr gute Spielfilme gestoßen, die ich hier kurz vorstellen will.

Surrogates – mein zweites ich

Blutverschmierter Bruce, wie wir ihn kennen und sehen wollen.

Vielleicht habe ich den ja nur in Deutschland in den Kinos verpasst, aber Surrogates ist wirklich gut. Bruce Willis spielt die Hauptrolle in dem SF-Thriller. Die urbane Gesellschaft kommuniziert und agiert praktisch nur noch als “Surrogates” – Cyborgs, die von zu Hause via Gedanken gesteuert werden. Menschliche Kontakte sind selten geworden – lieber bewegt man sich mit seinem niemals alterenden Alter-Ego und lebt sein Leben als der oder die, der/die man sein möchte. Nur wenige Menschen verwehren sich dem und leben weiterhin in streng abgeschiedenen Zonen. Als alternder Polizist muss Bruce Willis jetzt ein paar Morde aufklären und verliert dabei seinen eigenen Surrogate – obwohl verängstigt wird ihm wieder bewußt, wie sehr ihn das Leben als Surrogate seiner Frau, seiner Umwelt und ihm selbst entfremdet hat. Die Nachforschungen führen in die Welt des Widerstandes…

Der Film ist echt ganz gut, Besetzung passend und aus meiner kleinen Auswahl wahrscheinlich noch der teuerste Film bzgl. der Produktionskosten. Leider ist er etwas kurz geraten, aber das ist mir noch allemal lieber als diese “aufgeblasenen Hollywood-Schinken”, die sich unsäglich in die Länge ziehen, um die 90Minuten-Schallgrenze zu durchbrechen. Daher vielleicht in den Kinos in Deutschland etwas untergegangen, wenn ein 3D-Hyper-Special-Aktion-Film wie Avatar mit einem paar Hundert-Millionen-Budget die Kinokassen sprengt. Leider bleibt “Surrogates” letztenendes hinter den durch die Besetzung mit Bruce Willis in der Hauprolle hochgeschraubten Erwartungen zurück.  Zu oberflächlich ist die Gesellschaftskritik ebenso wie das Motiv der Entfremdung durchschaubar ist.

Von mir bekommt “Surrogates – Mein zweites Ich” die (Schul-)Note 2(-).

BUG

Agnes und Peter auf Käfersuche im heimischen Hotelzimmer - auf der Spur einer paranoiden Phobie oder der ekelhaften Wahrheit?

Agnes ist eine einfache Kellnerin im mittleren Westen der USA, wo der Hauptgesprächsstoff wahrscheinlich das Wetter, die nächsten Maisernte und das letzte Woche verstreckte Todesurteil ist. Agnes lebt ein einfaches Leben, aus dem man wohl auch nur mit kleinen Ausflügen in Drogenkonsum entfliehen kann und kellnert in einer Lesbenkneipe. Sie lebt in einem Motelzimmer und wird des öfteren telefonsich von Ihrem Ex-Mann belästigt. Schließlich stellt ihr eine Freundin den eher schüchterenen und introvertierten Peter vor. Sie verlieben sich ineinander, doch Peter ist ein geheimnisumwitterter Kriegsveteran, mit einer ausgewachsenen Phobie gegen Krabbeltiere. Agnes gerät immer weiter in den Sog der Neurosen und paranoiden Vorstellungen von Peter – schließlich taucht sogar ihr Ex-Mann wieder auf. Wieviel Wahrheit steckt in Peter’s Wahnvorstellungen und wieviel ist Fantasie?

Der ganze Film spielt praktisch in dem Motelzimmer, das von Agnes und Peter immer weiter umgestaltet wird und irgendwie ihre manischen Vorstellungen widerspiegelt. William Friedkin gewann im Jahr 2006 den FIPRESCI-Preis der Internationalen Filmfestspiele von Cannes – nicht zu unrecht wie ich finde. Leider merkt man dem Film deutlich an, dass er aus einem Bühnenstück entstanden ist. Das tut der schauspielerischen Leistung der Akteure aber keinen Abbruch. BUG ist ein bißchen gruselig, bzw, spielt mit den unterdrückten Ekelgefühlen und einem paranoiden Teil in jedem von uns.  Verschwörungstheoretiker werden ihren Spaß an dem Film haben. Ein ganz klein wenig mehr Action hätte dem Film aber nicht geschadet – wie man die hätte einbauen sollen, bin ich überfragt, aber ich bin ja auch nicht der Regisseur gewesen. Leider ist der Film auch ein wenig kurz, aber es gilt das schon bei “Surrogates” Gesagte über Filmlängen. Produktionskosten waren übrigens etwa 4 Mio Dollar – nicht gerade viel im Filmgewerbe, aber doch einiges mehr, als “Blair Witch Project” gekostet hat

Insgesamt: Note: 3 (-)

The Man from Earth

14.000 Jahre alter Unsterblicher oder ein gewitzter Schwindler, der seine Akademikerkollegen auf den Arm nimmt?

Der College-Professor John Oldman beschließt nach 10 Jahren seinen Job aufzugeben, umzuziehen und ein neues Leben zu beginnen. Während er auf die Möbelpacker wartet, kommen überraschend seine Kollegen zu einer inoffiziellen Abschiedfeier. In melancholischer Abschiedsstimmung eröffnet John seinen ehemaligen Arbeitskollegen und Freunden Harry (einem Biologen), Edith (einer Theologin), Dan (einem Anthropologen) und Sandy (einer Historikerin), Art (ein Archäologe) , dessen Studentin Linda und später noch Dr. Will Gruber (einen Psychiater), dass er 14.000 Jahre alt ist, seit der Jungsteinzeit ein Leben lebt und seitdem nicht mehr altert. Weder kann oder will er das beweisen, noch können ihm seine Freunde und Kollegen das Gegenteil beweisen. Zusammen lassen sie sich auf das scheinbare Gedankenspiel ein, doch John weiß auf jede ihrer Fragen und Einwände eine passende und plausible Antwort. Mit fortschreitender Stunde häufen sich die Indizien, dass John die Wahrheit spricht – oder ist die Vorstellung der Unsterblichkeit nur akademischer Natur?

Man from Earth erfordert es anfangs sich zusammen mit den Protagonisten auf ein Gedankenspiel einzulassen, dass einen aber schnell in seinen Bann zieht. Natürlich wirkt die Szenerie etwas konstruiert, aber das tut der Stimmung keinen Abbruch. Der Film erinnert an “Highlander” – nur ohne jede Action, sondern reduziert auf den Grundgedanken der Unsterblichkeit und der Auswirkungen, die ein solch langes Leben auf den Geist und das Leben haben könnte.  Und plötzlich wird Nachdenken unterhaltsam. Leider ist der Film (wieder mal) recht vorhersehbar, daran ändern auch ein paar kleinere Wendungen und Enthüllungen nichts. Trotzdem erhielt Man from Earth gerechtfertigt viele internationale Preise und Auszeichnungen.

Der Film hat in der P2P-Community einen so gewaltigen Erfolg gehabt, dass der Regisseur sich auf diversen Torrent-Webseiten bedankt hat. Gleichzeitig bittet er darum, die DVD zu bestellen oder über die Filmwebsite zu spenden – mit einem PayPal-Konto kann man das ruhig mal machen. Wie man sieht, kann man sehr anspruchsvolle Filme machen und verbreiten, auch wenn man nicht permanent auf den finanziellen Erfolg schielt. Ich wünschte mehr Filmproduzenten hätten die gleiche Einstellung zu und den gleichen Anspruch an ihre Werke. Ich würde gerne öfters den Film für ein kleines Geld gucken und dann zusätzlich spenden, was er mir wert war.

Note: 2

Cargo

Trübe Aussichten auf die unbewohnbare Heimat. Wartet irgendwo im All eine neues Leben auf Laura?

Das Jahr 2267 – nach dem Kollaps ökologischer Katastrophen lebt ein großer Teil der Menschheit zusammengepfercht auf Raumstationen im All. Eine von ihnen ist die junge Ärztin Laura Portmann. Sie hofft auf eine bessere Zukunft auf dem fernen Planeten Rhea, auf dem ihre Schwester und mit ihren Kindern lebt. Das dafür notwendige Geld will sie durch einen Flug auf dem heruntergekommenen Raumfrachter Kassandra verdienen. Einen großen Teil der vierjährigen Reise verbringt die Besatzung im Kälteschlaf, nur ein Besatzungsmitglied bleibt wach. Während Laura’s Wache geschehen seltsame Dinge auf dem Frachter und bei einer Prüfung kommt sie einer gewaltigen Täuschung auf die Spur…

Wir ahnen es alle schon, was es mit dieser Täuschung auf sich hat, aber ich lasse es trotzdem lieber mal unausgesprochen. Cargo ist trotzdem sehr sehenswert, denn der Schweizer Regiseeur Ivan Engler hat es meisterhaft verstanden, seinen Charakteren und der Umgebung eine trostlose und verzweifelte Stimmung einzuhauchen. Mit nur 5 Mio Schweizer Franken (ca. 3,5 Mio Euro), etwas Computertechnik und viel Zeit und Liebe zum Detail zeigt Cargo eine SF-Welt, die wirklich realistisch rüberkommt. Manchmal sind es Kleinigkeiten, wie dreckige Fenster, permanente Kälte, realistische Schwerkraftverhältnisse oder stumme Antriebe bei Außenansichten im Weltall, mit denen Engler seinem Film beinahe mehr Athmospähre als Inhalt einflöst. Ein paar Sätze der Schauspieler wirken ein klein wenig laienhaft, aber nicht, weil sie nicht gute Schauspieler wären, sondern weil man es als “Filmgucker” schon so gewöhnt ist, perfekte gestylte Dialoge zu hören, dass man zwei Menschen, die einfach miteinander sprechen auf der Kinoleinwand oder dem Fernseher schon gar nicht mehr kennt. Ich meine diese “Laienhaftigkeit” als Kompliment – Falls ich mich irre und die Schauspieler einfach nur manchmal nen Satz nicht zustande gebracht haben, nehme ich alles zurück und behaupte das Gegenteil. Politiker machen das ja auch so. 🙂

Insgesamt ist geht der film leider knapp an einem “gut” vorbei (wirklich um Haaresbreite), weil die Wendung des Filmes einfach schon von der ersten Erwähnung des Planeten Rhea an, so klar wie schweizer Kloßbrühe ist. Das war leider schon zu oft da und wurde auch in diversen anderen Filmen unter verschiedenen Motiven zu oft ausgeschlachtet – meist schlechter angelegt, aber trotzdem werden Freunde von Science-Fiction sich wahrscheinlich nicht mal mehr die Mühe zu raten.

Note: 3+

Alle vier Filme kann man auf Maxdome oder iTunes leihen. Das kostet nicht die Welt und man spart sich Fahrerei, wenn man in Vorfreude auf eine neue Folge der Lieblingsserie vom Fernsehsender seines Vertrauens mal wieder schmählich im Stich gelassen wird und nach 15 Sekunden erkennt, dass es sich wieder mal um eine Wiederholung handelt.