Am heutigen Karfreitag erinnerte ich mich an die Vertreibung der Geldverleiher durch Jesus. Obgleich sich daraus nicht gleich eine Zinsen ablehnende Haltung ableiten lassen kann, haben auch abseits vom Christentum alle großen monotheistischen Religionen Zinsverbote entwickelt. Die wurden in den letzten zwei- bis dreitausend Jahren entwickelt, angewandt und auch gleich wieder durch Umgehung und Aushöhlung aller Vorgaben zunichte gemacht.

Zinsen auf geliehenes Kapital ebenso wie auf Guthaben haben schlechte Eigenschaften. Zinsen sorgen dafür, dass finanzielle Risiken notwendiger Investitionen unverhältnismäig stark ausgeglichen werden. Wer viel Kapital hat, bekommt für dieses Kapital Zinsen ohne, dass dem ein tatsächlicher oder zumindest angemessener Gegenwert entgegensteht. Es mag ja teilweise gerechtfertigt sein, dass die Gefahr, verliehenes Geld zu verlieren, ausgeglichen wird. Aber die Zinsen, die verlangt werden, übersteigen in den meisten Fällen das Risiko bei weitem. Risikoausgleich ist angemessen, aber nicht so überproportional. Doch die Einschätzung des Risikos obliegt dem Kapitalgeber. Das führt zu einer Abhängigkeitssituation derjenigen ohne Kapital von denen mit Kapital und ist somit nicht nur moralisch zweifelhaft, obendrein hemmt es dringend notwendige Investitionen und Innovationen.

Ich sehe bereits eine Gruppe mit dem Finger auf mich zeigen und anklagend “Kommunist, Kommunist!” rufen, während eine zweite Gruppe mit den Schultern zuckt und solche Ideen mit dem Gedanken “Neunmalkluger Spinner mit der Neurose eines Weltverbesserers – wahrscheinlich ein armer Schlucker und Baumknutscher” abtut. Ich kann mit beiden Reaktionen gut leben, zeigen sie doch, dass wir uns längst in einem System angefreundet und es uns darin so gemütlich gemacht haben, dass jede alternative Vorstellung längst ein Tabu ist.

Persönliche Anmerkung:
Ich will an dieser Stelle aber gar nicht davon ablenken, dass ich Teil dieser Gesellschaft und somit der herrschenden Verhältnisse bin und ich weder in einer realitätsfremden Blase, noch in einem akademischen Elfenbeinturm lebe. Ich ziehe persönliche Vorteile aus dem herrschenden System. Ich bin Teil dieses Problems, wir alle sind Teil des Problems. Und wir verdanken es nur einem erfolgreichen Verdrängungsmechanismus oder totaler Ignoranz, dass uns das nur selten auffällt.

Die Dritte Welt kann ein Lied davon singen, wie sie durch Zinsen auf Kredite – gewährt durch westliche Industriestaaten – zur Hebung ihrer Bodenschätze ausgebeutet und in Abhängigkeit gebracht wird. Ab und zu ein Schuldenerlass, um die Zinsen gerade so auf einem Niveau zu halten, das fortdauernde Abhängigkeitssituation sichert.

Seit tausenden von Jahren beruht weltweit jedes monetäre System auf der Erhebung von Zinsen – von einzelnen Experimenten wie Freigeld abgesehen. Zinsen sollten zumindest im Grundsatz überdenkenswert sein und werden seit Jahrtausenden von verschieden Aspekten ausgiebig diskutiert. Eine tiefgreifende Änderung des monetären System ist aber nicht in Sicht. Zinsen dienen der Etablierung von globalen Macht- und Abhängigkeitsstrukturen und Zinsverbote würden das Establishment des Finanzwesens aufweichen. Die Chancen für eine gediegene aber ausgiebige Schneeballschlacht in der Hölle mit abschließendem Schneemann-Bauen im Fegefeuer stehen besser als die einer globalen Reform des Finanzwesens.

Bitcoin ist eine freiheitliche Ideologie

Bitcoin ist angetreten als ein Werkzeug, ein Protokoll, um diese Machtverhältnisse zu verschieben. Bitcoin nimmt dem (Fiat-)Währungen die Macht und überträgt diese in Form von Verantwortung und der Möglichkeit des Strebens nach Wohlstand zurück zu den eigentlichen Erschaffern der Werte. Die Macht kommt von den augebenden Stellen von Wertspeichern (meist durch Regierungen beauftragte Zentralbanken) und wird zum Nutzer/Anwender/Teilnehmer verschoben. Banken, die modernen Geldverleiher, bleiben außen vor. Ihre Existenzrechtfertigung als Dritte vertrauenswürdige Partei für Finanztransaktionen ist in einer Bitcoin getriebenden Finanzwelt früher oder später obsolet. Dabei glaube ich nicht einmal, dass Bitcoin das globale Währungssystem ablösen wird, sondern, dass es dieses um eine gangbare Alternative Weise erweitert.

Für solche und ähnliche Ansichten wird man herablassend als Gutmensch bezeichnet oder als bigott, wenn man von der Wertentwicklung von Bitcoin profitiert. Bitcoin ist ein Wertspeicher, digitalisiertes Geld, Asset und Investment, bei dem sich viele in Vorfreude auf den neuen Lambo die Hände reiben. Aber für mich ist Bitcoin hauptsächlich eine Protokoll, das auf einer Ideologie basiert, die einen Weg in die Freiheit aufzeigt. Weder PKI, noch Blockchain, Dezentralized Ledger oder Consensus Mechanismen sind die großen Errungenschaften von Satoshi Nakamoto, sondern die Idee, dass Bitcoin den Menschen als Werkzeug zu gleichberechtigter finanzieller Selbstbestimmung dienen kann.