Sex sells!
diesen Ausdruck haben die meisten Werbetreibenden gewiß schon mal gehört und garantiert hat eine Werbung, die Sexualisierung als Kaufanreiz einsetzt, schon bei annährend jedem gewirkt. Manchmal offen und direkt, manchmal subtil und versteckt.
Die Dame im Beispiel links wirbt übrigens für ein Shampoo und es gibt eine ganze Kampagne mit verschiedenen Frauen in ähnlichen Abbildungen. Übrigens sind die Werbungen mit dem Slogan “Sorge dafür, daß deine Haare das zweite sind, was er bemerkt.” versehen.
Wikipedia fasst Sex sells folgendermaßen zusammen:
Sex sells ist eine in gleicher Bedeutung aus dem Englischen ins Deutsche übernommene Redewendung aus der Sprache der Werbung. Im weiteren Sinne gehört Sex sells zum Gender Marketing: Sie bringt zum Ausdruck, dass sich ein Produkt besser verkauft, wenn es in einem Kontext dargestellt wird, der sexuelle Inhalte präsentiert. Typische Beispiele sind leicht bekleidete Frauen in der Werbung für Autos oder Motorräder, die als Blickfang dienen, oder das Girlspotting in Fernsehshows.
Seite „Sex sells“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. August 2010, 10:28 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sex_sells&oldid=77576579 (Abgerufen: 28. August 2010, 07:52 UTC)
Psychologen haben in Experimenten nachgewiesen, dass sich ein beliebiges Thema, also auch ein Produkt- oder Firmenname, besser einprägt, wenn es in einem emotional erregenden Kontext wahrgenommen wird. Solche emotionalen Erregungen können durch Angst, Ekel, Freude oder Wut hervorgerufen werden – und eben durch sexuelle Anspielungen.
Zwar lassen neueste empirische Untersuchungen starke Zweifel an der Allgemeingültigkeit der Aussage „Sex sells“ aufkommen, aber Sexualisierung wird in fast allen Bereichen der Werbung eingesetzt und stellt ihre Wirkung immer wieder unter Beweis.
Oder handelt es sich um einen Trugschluss und um eine “selbsterfüllende Prophezeihung? Ist der vielfache Einsatz von “Sex sells” wirklich ein Indiz für die Wirksamkeit?
Wie funktioniert das?
Fast jede Werbung, egal welches Werbemittel genutzt wird, ist nach dem AIDA-Prinzip aufgebaut. Attention – Interest – Desire – Action! Ein sogenannter Eye-Catcher soll die Aufmerksamkeit auf die Werbung lenken, es soll Interesse am Produkt geweckt werden, dann ein Bedürfnis oder eine Begehrlichkeit erzeugt werden und schließlich soll die ganze Werbung natürlich in eine Aktion münden. Das kann der Kauf des Produktes sein, ebenso wie ein Anruf oder der Besuch einer Internetseite. Werfen Sie mal einen Blick auf eine beliebige Anzeigenseite in einem Magazin. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, beruht Sie auf dem AIDA-Prinzip. Sexualisierung in der Werbung scheint manchmal bei gleich dreien dieser Absichten zu wirken und von der Aufmerksamkeit direkt zur Begehrlichkeit zu springen.
Die Verbindung zur “Action!” fällt dabei manchmal leider etwas mager aus. Viele Werber scheinen auf einen Automatismus zu setzen, der jedoch nicht einsetzt. Das ist als würde man erwarten, dass wenn ein 100m-Läufer immer die 100 Meter unter 10 Sekunden läuft, wenn er 75 Meter regelmäßig in 7:30 Sekunden schafft.
In der Werbung werden wesentlich häufiger Abbildungen von Frauen eingesetzt, als von Männern. Wirkt “Sex sells” bei Männern besser? Sind Männer besser mit Sex zu beeinflussen, als Frauen? Das scheint nur so. Experimente, bei denen den Probanden Pornofilme gezeigt wurden und die sexuelle Erregung gemessen wurde, haben gezeigt, dass Frauen genauso leicht sexuell erregbar sind, wie Männer. Sie zeigen es nur nicht so offenkundig. Vielleicht lassen sich solche Ergebnisse nicht pauschalisieren und 1:1 auf die Sexualisierung übertragen, doch auch Frauen kaufen eher Produkte, die von attraktiven Frauen angeboten werden.
Dabei scheinen Frauen ihre Geschlechtsgenossinnen weniger als Konkurrenz wahrzunehmen, sondern als idealisiertes Bild, das den Wunsch weckt, ebenso begehrenswert zu sein. Übrigens ein großer Kritikpunkt des Feminismus am Prinzip “Sex sells”, aber das soll nicht Gegenstand dieses Beitrages sein.
Nackte Haut und fertig ist die Werbung?
So einfach ist es allerdings denn doch nicht. Es besteht die Gefahr des so genannten Vampir-Effekts. Der sexuelle Reiz entzieht dem beworbenden Produkt die Aufmerksamkeit des Betrachters und der gwünschte Effekt das Produkt zu bewerben tritt überhaupt nicht ein. Das geht soweit, dass das eigentlich beworbene Produkt gar nicht mehr wahrgenommen wird.
Zum anderen wird die Sexualisierung und Verbindung “Sex/Produkt” seit den 1950er Jahen so stark eingesetzt, dass eine Art “Abstumpfung” und “Unempfindlichkeit” in den Zielgruppen auftrat. Die Werbebranche konterte mit immer aufdringlicherer Sexualisierung. Momentan ist ein Trend zu verzeichnen, der Sexualisierung deutlich subtiler und dosierter einsetzt oder sich bewußt darüber lustig macht, um so die Kritik abzumildern, dem Vampir-Effekt zu entgehen und trotzdem Sex-Appeal in der Werbung einzusetzen.
Der verstärkte Einsatz von “Sex sells” ist auf Dauer kontraproduktiv. Die gewünschte Wirkung setzt entweder überhaupt nicht ein, weil das Produkt gar nicht erst wahrgenommen oder erst gar keine Begehrlichkeit dafür geweckt wird, oder aber die letzte Verbindung zur “Action!” findet in der Zielgruppe nicht statt.
Soll ich jetzt “Sex sells” in meiner Werbung einsetzen oder nicht?
Die Frage kann man pauschal nicht beantworten. Vor kurzem sah ich eine Anzeige über eine drittel Seite (hochkant, rechte Seite im Anschnitt) in einer Computerzeitschrift, die fast über die volle Höhe mit einer leicht bekleideten Dame für Motherboards warb. Die Wirkung bleibt fraglich.
Obwohl die Anzeige beim Umblättern meine volle Aufmerksamkeit bekam *hüstel*, weiß ich nicht einmal mehr, ob es um Server oder um Datenrettung ging, geschweige denn, dass ich mich an den Markennamen des Produktes oder den des Unternehmens erinnern würde. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, dass ich die Anzeige für verbranntes Geld halte und ich glaube die hat mal so gar nichts gebracht, außer ganz kurz Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Das ist wie nach dem Startschuss 5 Meter los zu sprinten und dann stehen zu bleiben.
Schauen Sie sich doch einfach mal ein paar Anzeigen bewußt an und prüfen Sie selbst, ob sie den Weg von Aufmerksamkeit bis zu Aktion mit zu Ende gehen oder ob und ab welchem Punkt sie aussteigen.
Allgemein gilt: Wenn Sie selbst Werbung einsetzen, sollte die Wirkung und Wirksamkeit oberste Prämisse sein. Lassen Sie sich von dem Gedankengang leiten, dass Sie sich “zu fein dafür sind”, um Sex-Appeal in Zusammenhang mit Ihrem Unternehmen einsetzen. Vergessen Sie auch die Angst vor einem “Schmuddel”-Image. Seriöse Autobauer lassen ihre Wagen regelmäßig von sexy bekleideten Damen präsentieren. Wenn Sie also überlegen “Sex” in Ihrer Werbung einsetzen, prüfen Sie genau, welche Wirkung sie erzielen wollen. Als Eye-Catcher eingesetzt funktionieren nackte Haut und scharfe Kurven fast immer. In diesem Falle sollte es aber eher “Sex catches Attention” heißen. Wenn Sie nur diesen Effekt einsetzen wollen, brauchen Sie aber z.B. nicht 90% Ihrer Anzeige darauf zu verschwenden!
Wenn Sex wirklich etwas verkaufen soll, muss er aber gezielt und subtil eingesetzt werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen – schließlich heißt es “Sex sells”. Sex soll in der Werbung verkaufen (helfen) und nicht Selbstzweck sein. Wenn Sie also mit dem Gedanken spielen, Sexualisierung in Ihrer Werbung einzusetzen, sollten Sie sich in erster Linie nicht nur Gedanken um Ihre Außenwirkung machen, sondern darum, was Sie damit erreichen wollen und ob Sie dieses Ziel überhaupt mit “Sex sells” erreichen.
Wenn Sie Ihnen “Sex sells” ein Begriff ist, sollte Ihnen “Weniger ist manchmal mehr” ebenso bekannt sein.
Übrigens: Hand auf’s Herz – hätten Sie diesen Artikel die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet, wenn er keine Bilder enthalten hätte? 🙂