Liebe Generation Smartphone,
Ihr schleicht mit der Geschwindigkeit eines Braunkohlebaggers im Tagebau durch die Straßen der Städte und Vorstädte – weltweit. Ihr nutzt jede freie Minute, um Eurem Drang, auf’s Smartphone zu starren, nachzugeben und lasst Euer Leben durch Facebook, Twitter, Instagram, WeChat und Whatsapp bestimmen. Ich beobachtete am Valentinstag ein Lokal voller Paare von Euch und wie Ihr es geschafft habt, Euer Essen zu fotographieren und mit der daran nicht interessierten Welt zu teilen, aber praktisch kaum ein Wort miteinander zu reden.
Es scheint Euch schwer zu fallen, Euch auf irgendetwas zu konzentrieren, was Ihr nicht visuell innerhalb von 2-3 Sekunden erfassen, (vermeintlich) mental verarbeiten und grob durch den Wolf Eures unterforderten Gehirns gedreht hervorwürgen und als “eigene Meinung” getarnt wieder in die Timeline eines sozialen Mediums auskotzen könnt. Ihr konsumiert Gedankenbröckchen!
Die Flughäfen sind voll mit Euch und Ihr überschwemmt jede Wartehalle eines Bahnhofs. Die U-Bahnen, S-Bahnen und Regionalzüge wimmeln ebenfalls von Euch. Wann habt Ihr das letzte Mal bei einer Fahrt einfach nur aus dem Fenster geschaut? Wann seid Ihr das letzte mal zügig aus dem Fahrstuhl ausgestiegen, wenn Ihr das gewünschte Geschoss erreicht hattet ohne erstmal auf die Anzeige zu schauen und sich zögerlich zu vergewissern, dass Ihr überhaupt im richtigen Gebäude seid?
Ich benutze mein Mobiltelefon auch recht viel, aber Euer Verhalten geht mir zum großen Teil so richtig auf den Sack. Sorry für die deutlichen Worte. Natürlich sollt Ihr die Freiheit genießen, die Euch Smartphones geben, und Eure persönlichen Angewohnheiten und Gepflogenheiten interessieren mich auch nicht, aber diejenigen, die mein Leben tangieren, zerren – inbesonders weil sie gehäuft auftreten – doch sehr an meinen Nerven:
- Langsames auf’s Mobiltelefon starrendes Schleichen auf Bürgersteigen
- Selfies an praktisch jedem Ort – vorzugweise aus Ansicht von schräg oben
- Blockieren von Eingängen, Zufahrten oder dem Ende einer Rolltreppe
- Nervöse Zuckungen beim Hinweiston Eures ausnahmsweise beiseitegelegten Smartphones im Gespräch mit mir und ein Gesichtsausdruck, der zeigt, dass Ihr es kaum erwarten könnt, das höflich gemeinte Gesicht, das einen aufmerksamen Gesichtsausdruck imitiert, aufzugeben und nach dem Satz: “Entschuldigung, da muss ich mal kurz antworten.” zu Eurem Smartphone zu greifen.
Ihr habt es noch gar nicht bemerkt, aber je mehr Ihr Euch in den sozialen Medien engagiert und mit vermeintlich soziale Kontakte knüpft, desto mehr isoliert Ihr Euch von Euren Mitmenschen in Eurer direkten Umgebung. Ihr seid längst abhängig von digitalen Medien und ein Sunflare würde Euch in eine mediale Steinzeit zurück katapultieren, in der Ihr mir wenig überlebensfähig erscheint. Euch würde sogar die soziale Kompetenz fehlen, um Beziehungen aufzubauen, die es erfordert, eine gemeinsame Aufgabe zu erledigen. Ich stelle mir Euch gerne vor, wie Ihr jeder für sich selbst hilflos wieder und wieder gegen eine Wand lauft und ergebnislos einen Sprachassistenten anfleht, Euch zu zeigen, wo ein Durchgang ist.
Es tut mir leid, aber Ihr macht den zu großen Teilen den Eindruck, dass Ihr unter einer schweren psychischen Störung leidet.
Bitte ergebt Euch nicht! Ihr seid stärker! Nehmt wieder Augenkontakt mit Euren Mitmenschen auf! Sprecht mit Ihnen! Vielleicht erlebt Ihr eine Überraschung! Vielleicht (wieder-)entdeckt Ihr die gute alte Tradititon eines Smalltalks und erfahrt etwas über die Meinung und die Gedankenwelt eines anderen nicht aus einer vorgefertigeten Mitteilungsschablone, die gedankenlos wiederholt wurde ohne den Inhalt auch nur einen Sekundenbruchteil in Frage zu stellen. Um es mal böse zu sagen: Ich glaube, wenn Ihr das nicht ab und zu mal tut, könnte man eher sagen, dass Eure Obsession, die oben noch als psychische Störung beschrieben wurde, sich eher in dem Satz “Ihr verblödet alle langsam aber sicher!” widergeben lässt.
Wenn Ihr wissen wollt, wie es um Euch steht, macht bitte mal folgenden Test:
Legt Euer Mobiltelefon eine Stunde pro Tag umgedreht, lautlos und ohne Vibrationsalarm vor Euch hin und tut etwas völlig anderes – irgendetwas. Wenn Ihr es schafft, die Stunde geistig unbeschadet zu überstehen und mit zumindest einem Menschen in Eurer Umgebung eine sinnvolle und gehaltvolle soziale Kontaktaufnahme zu initiieren, ist es noch nicht zu spät für Euch!
Auch wenn es Euch schwer fällt, beobachtet bewußt Eure Wahrnehmung und die eigene Gefühlswelt. Seid Ihr verunsichert? Wisst Ihr nicht, was Ihr tun sollt? Habt Ihr Angst? Paranoia? Habt Ihr das Gefühl, etwas wichtiges zu verpassen? Wisst Ihr nichts mit Euch anzufangen? Bist Du einsam?
Leider, leider muss ich erkennen, dass Euer Verhalten hochgradig ansteckend ist und unsere Gesellschaft von innen heraus infiziert.
Ich wünsche mir, dass wir bald miteinander reden – von Angesicht zu Angesicht.
Bis bald,
Jens Schendel