Das Gesundheitswesen wird in China praktisch zu 100% durch Krankenhäuser abgedeckt. Privat niedergelassene Ärzte gibt es so gut wie überhaupt nicht. Um chinesische Krankenversicherungen ist es schlecht bestellt, in den meisten Fällen werden Kosten sowieso nur bei ernsthaften Erkrankungen oder Operationen und auch nur teilweise übernommen. So fehlt natürlich auch ein Abrechnungssystem gegen die Krankenkassen, stattdessen müssen alle Leistungen direkt bezahlt werden – in öffentlichen Krankenhäusern natürlich im voraus.
Die Ärzte sind zwar in der Regel gut ausgebildet, aber verdienen relativ schlecht. Selten sieht man einen Arzt mehr als einmal im Leben, daher fühlen die sich eher wenig verantwortlich für eine konsequent durchgeührte Diagnose und Therapie. Viele arbeiten Teilzeit oder am Wochenende in privaten und/oder internationalen Krankenhäusern und verdienen dort ein vielfachesdes Monatslohnes im Bruchteil derselben Arbeitszeit.
Als Expat/Ausländer mit Versicherung ist man in der Regel besser bedient, bei Bedarf in ein internationales Krankenhaus in Shanghai zu gehen und einen Bogen um die öffentlichen Krankenhäuser zu machen. Internationale Krankenhäuser rechnen direkt gegen die internationale Krankenversicherung ab und bieten deutlich mehr Fürsorge, Bequemlichkeit, Sauberkeit, Respekt gegenüber der Privatssphäre des Patienten und dem Patienten selbst und bieten individuelle Behandlung und persönliche Verantwortlichkeit.
Trotzdem kann es erforderlich oder deutlich billiger sein, sich in ein chinesisches Krankenhaus oder die angeschlossene internationale Abteilung zu begeben. Auf jeden Fall sollte man aber sehr gut Chinesisch sprechen oder in Begleitung eines chinesischen Muttersprachlers sein. Am Beispiel eines Krankenhausbesuches im Shanghai East International Medical Centers wegen starken Hustens, sowie Erkältungs- und Grippesymptomen, zeige ich hier gerne mal, wie es in chinesischen Krankenhäusern zugeht. Falls Sie als Leser bereits einen Blick auf die Website des Krankenhauses geworfen haben, lassen Sie sich nicht durch den „schnuckeligen und professionell wirkenden“ Webauftritt täuschen, sondern werfen Sie mit mir lieber ein Blick hinter die Kulissen:
- Ankunft am Krankenhaus. Sie haben eine große Chance, dass es total überfüllt und überlaufen ist und Sie sich nicht auf Anhieb zurechtfinden.
- Es geht zuerst mal zu dieser Theke, wo man sein Anliegen irgendeiner wenig kompetenten Hilfskraft vorträgt, die die Bewerden dann „vordiagnostiziert“ und einem einen farbigen Zettel für eine bestimmte Abteilung gibt.
- Dann muss man sich als Patient registrieren. Man füllt seine Daten in einem kleinen Heftchen aus und zahlt umgerechnet ca. 1,20 Euro für eine unvermeidliche Karte.
- Hier die Eigangstheke nochmal von oben. Wer in die falsche Abteilung geschickt wird, fängt hier gleich von vorne an.
- Jetzt muss man sich den richtigen Arzt in der richtigen Abteilung im richtigen Behandlungsraum suchen und sich zu ihm durchdrängeln. Andere Patienten, deren Familien (immer dabei) und einfach neugierige Schaulustige sind allgegenwärtig, Geschlossene Türen gibt es nicht.
- Jetzt geht wieder runter zur Kasse, wo man sich erneut anstellt, um wieder zu zahlen – wirklich ein sehr direktes Abrechnungssystem.
- Um die Diagnose abzusichern wird man zum Blutabnehmen wieder in eine andere Abteilung geschickt – alles schön öffentlich, damit auch jeder mitbekommt, was man hat.
- Nach der Zahlung (sonst rührt keiner einen Finger!) kann man sich erstmal eine Nummer ziehen, um Blut abgenommen zu bekommen. Warteraum direkt hier! Übrigens gibt’s hier um die Ecke auch ein Toilette, wo man Stuhl-, Urin- und Spermaproben „bereitstellen“ kann.
- So sieht die professionelle Blutabnahme im Krankenhaus mit Massenabfertigung aus. Vampire könnten es kaum besser machen. Wenisgtens haben die Helfer viel Erfahrung, sie machen den ganzen Tag nichts anderes.
- Man bekommt ein Zettelchen mit Barcode und je nach Test kann man ein paar Minuten bis Tage später an einem solchen Automaten das Ergebnis ziehen, indem man…
- … seinen Zettel mit dem Barcode links in die Leseeinheit legt. Rechts spuckt die Maschine dann eine Art Diagnosezettel aus, den man unbedingt mitnehmen sollte.
- Mit dem Zettel aus der Report-Maschine (Chinesichkenntnisse unbedingt erforderlich!) geht es dann Wieder zum „behandelnden“ Arzt.
- Es hilft immer nur eines: Vordrängeln, Durchdrängeln und möglichst nichts Peinliches haben, weil wieder Hinz und Kunz durch den Behandlungsraum laufen und ein Durchgangsverkehr wie in der Bahnhofshalle zur Hauptverkehrszeit herrscht.
- Mit der Diagnose und/oder Rezept geht’s wieder runter an die Kasse, wo man sich anstellt, um die Medikamente oder Folgebehandlung zu bezahlen.
- Wie sollte es anders sein, akzeptiert die Kasse übrigens auch Bank- und Kreditkarten, aber auch hier gilt: Bares ist Wahres! Hauptsache Schotter!
- Mit der Quittung geht’s zur Apotheke (in den meisten Krankenhäusern integriert), aber man sollte sich seinen Abholschein genau ansehen, damit…
- …man sich auch in der richtigen Schlange anstellt und nicht vergeblich 10-15 Minuten seiner Lebenszeit mit Warten verschwendet.
- Praktisch alle Krankheiten erfordern in China eine ambulante Verabreichung irgendeines Tropfs. Nach dem Motto „Ohne Tropf geht hier keiner raus“ werden die meisten Medis intravenös verabreicht. Pillen ist nicht, und der chineische Patient soll auch gar nicht so genau wissen, was er hat und was er dagegen bekommt und warum.
- Impressionen: Auf dieser Tafel kann man sehen, welcher Arzt in welcher Abteilung zu welcher Zeit diese Woche arbeitet.
- Impressionen: Und auf dieser Tafel kann man sehen, welcher Arzt ein „Spezialist“ für was ist.
- Und an diesen Automaten sieht man eine Karte des Krankenhauses (eigener Standort falsch angegeben) und 4 Geldautomaten, damit man auch ja zahlen kann!
Ich habe den Ablauf hier nur exemplarisch dargestellt, er unterscheidet sich nicht wesentlich in öffentlichen Krankenhäusern in China. Ein paar nachgeschobene Randbemerkungen:
- Wer einen Arzt oder Angestellten im Krankenhaus kennt, ist klar im Vorteil: Bevorzugte Behandlung und reduzierte oder gar keine Behandlungskosten. Diagnosen, Labor usw gehen auch schon mal „unter der Hand“ (Guanxi).
- Achten Sie immer darauf, in die richtige Abteilung zu kommen. Wenn sie bei Ankunft sagen, sie hätten Kopfschmerzen schickt man sie wahrscheinlich von der Inneren, zur Neurologischen und schließlich zur Traumaabteilung, obwohl es nur ein Symptom ihrer Grippe ist.
- Chinesiche Ärzte sind nicht auskunftsfreudig und machen ein Riesengeheimnis aus allem, anstatt den Patienten aufzuklären. Entweder sind sie einfach nur vom Job angeödet, fühlen sich unterforderd und unterbezahlt, halten Patienten allgemein für geisttig minderbemittelt und/oder sind einfach arrogant – wahrscheinlich alles zusammen.
- Wenn sie zu mehreren sind und den Ablauf im Krankenhaus bereits kennen, können Sie viel Zeit und Nerven sparen, indem Sie immer jemanden vorausschicken, der sich schon mal an der Kasse anstellt.
Ich hoffe, ich konnte einen Eindruck der hiesigen Verhältnisse geben. Wenn Sie etwas mit diesem Artikel anfangen konnten und ihn interessant und lesenswert fanden, würde ich mich freuen, wenn Sie ihn bewerten, auf twitter zwitschern, ihn auf Facebook liken und/oder teilen.
Ein letzter Tipp: Bleiben Sie am Besten aus öffentlichen Krankenhäusern in China komplett raus. Dort laufen nur kranke Menschen rum und könnten Sie anstecken! Wenn Sie doch in China in ein öffentliche Krankenhaus kommen, versuchen Sie eine Einweisung zu vermeiden. Die Zimmer entsprechen wahrscheinlich nicht ihren Hygieneansprüchen (z.B.: dicker schwarzer Schimmel am Luftauslass der Klimaanlage) und sie könnten kränker aus dem Krankenhaus kommen als sie hineingekommen sind. 🙂