Die unbewohnte Diaoyu/Senkaku Inselgruppe macht rein äußerlich wenig her, aber hier werden Öl- und Gasvorkommen vermutet.

Die unbewohnte Diaoyu/Senkaku Inselgruppe macht rein äußerlich wenig her, aber hier werden Öl- und Gasvorkommen vermutet.

Die Senkaku-Inseln (jap. 尖閣諸島, Senkaku-shotō) oder Diaoyu(tai)-Inseln (VR China: 钓鱼岛及其(部分)附属岛屿 Diàoyú Dǎo jíqí (bùfen) fùshǔ dǎoyǔ‚ Diaoyu Dao und anhängige Inseln‘, Republik China (Taiwan): 釣魚臺列嶼 Diàoyútái lièyǔ ‚Diaoyutai-Inseln‘) sind eine nicht bewohnte Inselgruppe auf dem Festlandsockel im Ostchinesischen Meer.

Um die augenscheinliche Bedeutung einmal klarzustellen: Es geht um fünf Inseln und drei Felsenriffe, die etwa 200 km nordöstlich von Taiwan und 300 km westlich von Okinawa mitten im Ozean liegen und eine Gesamtfläche von etwa 6 Quadratkilometern haben, die bei Flut teilweise überspült werden. Während der 1950er und 1960er Jahre war es ruhig um die Inseln, in den Jahren 1968/69 wurden mögliche größere Erdöl- und Erdgasreserven rund um die Inseln entdeckt und seit 1970/71 beanspruchen sowohl die Republik China (Taiwan) als auch die Volksrepublik China unabhängig voneinander die Inseln als Staatsgebiet. Seit dem 15. Mai 1972 werden sie allerdings (wieder) durch Japan verwaltet. Doch auch die möglichen wirtschaftlichen Interessen stehen aktuell weniger im Vordergrund als Nationalstolz – auf allen Seiten.

Die aktuelle Auseinandersetzung um die in China Diaoyu und in Japan Senkaku genannte Inselgruppe wird in der Presse schlicht “Inselstreit” genannt. Die Regierungen Chinas und Taiwans behaupten, dass die erste schriftliche Dokumentierung dieser Inselgruppe 1372 durch chinesische Seeleute (zur Zeit der Ming-Dynastie, etwa 1368 bis 1644, aus der auch die stereotyp etwas überstrapaziert erwähnten Ming-Vasen stammen) erfolgt sei. Ab 1534 wurden die Inseln wiederholt als Teil des chinesischen Kaiserreichs dargestellt, inklusive der Einbindung in das chinesische Küstenverteidigungssystem und Verleihung von Teilen der Inselgruppe durch die Kaiserin an einen Kräuterkundler.

Japanische Fischfabrik auf Uotsuri-jima, um 1910

Japanische Fischfabrik auf Uotsuri-jima, um 1910

Japan wiederum behauptet, es habe die Inseln 1884 entdeckt. Es veranlasste ein Jahr später Untersuchungen durch die Präfekturregierung Okinawa, die die Inseln sowohl unbewohnt als auch ohne Spuren chinesischer Erschließung vorgefunden haben will. Japan beschloss am 14. Januar 1895 auf den Inseln Gebietsmarken aufzustellen und sie so zum japanischen Hoheitsgebiet zu erklären.

Die Argumentationen der drei Mächte werden umso verworrener, wenn man sich vor Augen hält, dass die Volksrepublik China, die Republik China eigentlich nicht als eigenständigen Staat Taiwan anerkennt, sondern als Teils China’s betrachtet – zumindest sieht der überwiegende Teil der Festlandchinesen so.

Wie kompliziert die (intellektuelle) Auseinandersetzung um die Inselgruppe ist und welche Konstrukte sich als Argumentationen für die eine oder andere Seite ergeben, zeigt sich beispielhaft an einem Artikel, in dem der Wissenschaftler und Japan-Experte Han-Yi Shaw glaubt bei seinen Recherchen Argumente gefunden zu haben, die eigentlich den Besitzanspruch der Volksrepublik China unterstützen – oder zumindest den Taiwans. Nochfolgend ein Auzug aus seinem Gastartikel in der New York Times für Nicolas D. Kristof.

Insgesamt lassen diese offiziellen Dokumente keinen Zweifel daran, dass die Meiji-Regierung die Inseln “nicht immer wieder mal besetzten”, sondern sie als Kriegsbeute hinzufügten. Dies ist die unbequeme Wahrheit, die die japanische Regierung bequem umgangen hat.

Japan behauptet, dass weder Peking noch Taipeh der US-Regierung nach dem Zweiten Weltkrieg widersprach. Das ist wahr, aber was Japan nicht erwähnt ist, dass weder Peking noch Taipei als Unterzeichner des Friedensvertrag von San Francisco 1951 eingeladen wurden, von dem die US-administrativen Rechte abgeleitetet werden.

Als Japan die Diaoyu / Senkaku Inseln 1895 annektierte, “entnahm” es sie aus Taiwan und stellte sie unter die Präfektur von Okinawa. Darüber hinaus wurde die japanische Bezeichnung “Senkaku Inseln” erstmals im Jahre 1900 von dem Gelehrten Kuroiwa Hisashi eingeführt und von der japanischen Regierung danach einfach übernommen. Ein halbes Jahrhundert später, als Japan Taiwan an China zurückgab, nahmen beide Seiten die 1945 administrative Einordnung von Taiwan an, ohne dass der chinesischen Regierung bewusst war, dass die unbewohnten “Senkaku Inseln” in Wirklichkeit die ehemaligen Diaoyu Inseln waren. Dies erklärt auch die verspäteten Proteste von Taipeh und Peking über die US-Regierung nach dem Krieg.

Shaws Argumentation sollte wirklich in seiner Gesamtheit gelesen werden. Kristof hat  japanische Gelehrte eingeladen, zu reagieren.

Man sieht, dass sich aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg im südostasiatischen Raum komplizierte Zusammenhänge und komplexe politische Verflechtungen ergeben, bei denen heute hauptsächliche wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Keine der beiden (oder sind es drei?) Seiten mag nachgeben und so dümpelte der Streit zwar jahrelang von allen Seiten mehr oder minder ignoriert vor sich hin, entflammte aber zwischenzeitlich jedesmal wieder heftiger als zuvor. Mehr über die kleine Inselgruppe und den Streit zwischen China, Japan und Taiwan um die Felsen im Meer und eine ausführliche Beschreibung der Historie der Inseln findet sich in dem entsprechenden Wikipedia-Artikel.

Wünschenswert als mögliche Lösung des Konfliktes um die Inseln wäre ein Kompromis, der den Status des Insel unangetastet läßt und eine gemeinsamen Abbau der darunter vermuteten Bodenschätze einschließt. Leider wird diese Möglichkeit eher als extrem unwahrscheinlich angesehen, weil die politischen und argumentativen Reibungspunkte bezüglich der Inseln sich bereits so sehr erhitzt haben, dass es für Beteiligten ebenso schwer ist, einen kühlen Kopf zu bewahren als auch die Gemüter zu kühlen. Zumindest findet zur Zeit ein Dialog auf diplomatischer Ebene zwischen Japan und China statt.